Brief zum Telemediengesetz an die Ministerpräsidenten der Länder

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Am 6. Oktober 2017 sandten 16 Verbände der Filmbranche folgenden Brief an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder …

Keine uferlose Ausweitung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zulasten einer vielfältigen Medienlandschaft in Deutschland Der BUNDESVERBAND REGIE e.V. betrachtet mit großer Sorge die aktuellen Regelungsvorschläge der Länder, den Auftrag und die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Online-Bereich losgelöst von der notwendigen Strukturreform der Rundfunkanstalten sowie ohne umfassende vorherige Sachverhaltsklärung auszuweiten. Dabei wird das Aufweichen der Verweildauern – neben dem politisch gewünschten Ziel der „Beitragsstabilität“ – fast ausschließlich mit der Nutzererwartung, auf jeden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Inhalt ohne weitere Kosten, zeitlich unbeschränkt und europaweit auf allen Plattformen und Ausspielwegen zugreifen zu können, gerechtfertigt. Eine solche Gratismentalität missachtet jedoch grundlegende Mechanismen und Ressourceneinsätze einer vielfältigen und kreativen Medienlandschaft. Es kann nicht sein, dass Urheber und ihre Partner der Kultur- und Kreativwirtschaft für eine vermeintliche Beitragsstabilität letztendlich zur Kasse gebeten werden.

Daher warnen die Verbände der Autoren, Regisseure, Film- und Fernsehproduzenten, Verleiher, Filmtheater, Videowirtschaft, Dokumentarfilmer, Bildungsmedienanbieter und privaten Sendeunternehmen in einem Brief an die Ministerpräsidenten der Länder davor, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei den Online-Angeboten einseitig zulasten der privaten Medienwirtschaft und zum Nachteil von Urhebern und ausübenden Künstlern zu erweitern und dies außerdem mit nicht notwendigen kartellrechtlichen Privilegierungen zu flankieren:

//  Ein gebührenfinanziertes, eigenständiges, von der Ausstrahlung eines Programms losgelöstes öffentlich-rechtliches Internetangebot ist im digitalen Zeitalter, in dem die Vielfalt der Medienangebote im Internet Jahr für Jahr zunimmt, mit dem „Grundversorgungsauftrag“ nicht zu rechtfertigen. Ein solch unbegrenztes Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks greift massiv in den Markt der Kreativwirtschaft ein und wirkt auf viele Branchen investitionshemmend. Audiovisuelle Medienanbieter und Verlage können sich diesem Wettbewerb nicht profitabel stellen und werden weniger in digitale innovative Inhalte investieren. Das gilt für Unterhaltungsangebote ebenso wie für Informations- und Bildungsangebote.

//  Speziell durch das Aufweichen der Verweildauern von dokumentarischen und fiktionalen Produktionen entstehen der Film- und Fernsehproduktionswirtschaft Nachteile, die sich sowohl auf das Programm und die Vielfalt an Filmen als auch auf die Beschäftigungszahlen auswirken werden. Mit der ständigen Verfügbarkeit in den für den Nutzer kostenlosen Mediatheken werden diese Produktionen für andere kommerzielle Plattformen wirtschaftlich uninteressant. Eine Auswertung dieser Werke im zukunftsträchtigen Online-Markt ist folglich kaum mehr möglich. Damit wird eine Finanzierungsquelle für zukünftige Produktionen empfindlich gefährdet. Anders als oftmals angenommen und kommuniziert, werden viele Kino- und Fernsehproduktionen keinesfalls voll aus Beitragsmitteln finanziert.

// Die Einbeziehung von europäischen Kinokaufproduktionen in den Telemedienauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird in besonderer Weise negative Auswirkungen auf die deutsche Kinolandschaft und ihre Zuschauer haben. Liegen die Online-Rechte beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wird kein deutscher Verleih in die Kinoherausbringung eines europäischen Kinofilms investieren. In diesem Fall greifen auch nicht Sperrzeiten,die durch die Regelungen im Filmfördergesetz geschützt sind. Seine Investitionen finanziert der Verleiher nur zum Teil über die Kinoauswertung. Der Großteil an Erlösen kommt hingegen aus dem Home-Entertainment-Bereich, der sich immer mehr auf digitale Video-on-Demand-Angebote verlagert. Diesen kommerziellen Diensten muss der Verleiher auch exklusive Lizenzrechte anbieten können, sonst kommen solche Filme nicht mehr in deutsche Kinos.

//  Die Film- und Fernsehschaffenden befürchten, an den erweiterten Ausspielmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht angemessen beteiligt zu werden. Stattdessen ist davon auszugehen, dass ein neu definierter und erheblich ausgeweiteter Online-Auftrag das Sendeverhalten der Rundfunkanstalten verändert. Wenn lineare Wiederholungen abnehmen, sinkt zeitgleich die darauf entfallene Vergütung für Sendungen, ohne dass ein entsprechender Ausgleich vorgesehen ist. Diese Sorge ist schon deshalb begründet, weil bereits in der Vergangenheit die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht für ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung von Verwertungsrechten Sorge getragen haben.

//  Die Ausweitung sowohl der Verweildauer von audiovisuellen Inhalten in Mediatheken als auch der Online-Angebote auf kommerziellen Drittplattformen widerspricht dem EU-Beihilfekompromiss, durch den – damals wie heute – die grob wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen des mit rund acht Milliarden jährlich beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedenfalls weitgehend gemindert werden sollten. Private Sender und kommerzielle Video-on-Demand-Anbieter sind ganz maßgeblich darauf angewiesen, ihren Kunden/Zuschauern exklusive Inhalte anzubieten. Die freie Verfügbarkeit von Inhalten in öffentlich-rechtlichen Mediatheken läuft dem zuwider. Eine kartellrechtliche Freistellung, gerade im Bereich des Lizenzerwerbs oder aber auch bei der Verbreitung, stellt eine weitere unverhältnismäßige Begünstigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dar. Die Wettbewerbsfähigkeit privater Anbieter würde damit zusätzlich empfindlich geschwächt werden.

Die branchenübergreifenden Bedenken machen deutlich, dass es die Partikularinteressen der Rundfunkanstalten nicht rechtfertigen, durch die geplanten Änderungen des Rundfunkstaatsvertrags derart schwerwiegend in den Wettbewerb einzugreifen und die Wertschöpfung von kommerziellen Medienanbietern, Urhebern und ausübenden Künstlern, weiter zu gefährden. Den Brief unterzeichneten neben dem Bundesverband Regie e.V. (BVR): AG DOK Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V., AG Kurzfilm e.V., AG Kino e.V., AG Verleih - Verband unabhängiger Filmverleiher e.V., DEFKOM Deutsche Filmkomponistenunion, HDF Kino e.V., IPAU e.V. - Interessengemeinschaft der privatwirtschaftlichen Produzenten Audiovisueller Unterrichtsmedien e.V., mediamusic e.V., SPIO Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Verband Bildungsmedien e.V., VdF Verband der Filmverleiher e.V., VDF Verband Deutscher Filmproduzenten e.V., vprt Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V., YPA Young Producers' Association e.V.