Die Nominierten für den Deutschen Regiepreis METROPOLIS 2016

Pressemitteilung
Preis für das Lebenswerk geht an EDGAR REITZ.

Der BUNDESVERBAND REGIE e.V. (BVR) ist mit über 800 Mitgliedern eine der mitgliederstärksten Berufsvereinigungen der Film- und Fernsehbranche. Um die Qualität der Werke seiner Mitglieder zu würdigen sowie öffentlich herauszustellen und um die Position von Regisseuren und Regisseurinnen durch Nominierung und Auszeichnung zu stärken, verleiht der BVR den Deutschen Regiepreis METROPOLIS. 2016 erfolgt dies bereits zum sechsten Mal. Der Deutsche Regiepreis ist die Spitzenauszeichnung von Regisseuren für Regisseure sowie für einige der wichtigsten Mitstreiter der Regie. Er ist mit insgesamt 55.000 EUR dotiert.

Aus den Einreichungen hat eine siebenköpfige Jury aus Regisseurinnen und Regisseuren folgende Filme und Fernsehwerke aus dem Jahrgang 2015/16 nominiert:
Beste Regie Kinofilm
//  “Das Tagebuch der Anne Frank” von Hans Steinbichler
//  “Die dunkle Seite des Mondes” von Stephan Rick
//  “Er ist wieder da” von David Wnendt

Beste Regie Kinder-/Jugendfilm
// „Die weiße Schlange“ von Stefan Bühling
// „Smaragdgrün“ von Felix Fuchssteiner / Katharina Schöde

Beste Regie Dokumentarfilm
//  “Krieger Vater König” von Julian Reich
//  “Parchim International” von Stefan Eberlein
//  “Verfluchte Liebe deutscher Film” von Dominik Graf und Johannes F. Sievert

Beste Regie Fernsehfilm
//  “Das Programm” von Till Endemann
//  “Der Fall Barschel“ von Kilian Riedhof
//  “Mitten in Deutschland NSU – Vergesst mich nicht (Die Opfer)” von Züli Aladag
//  “Schweigeminute” von Thorsten M. Schmidt

Beste Regie TV-Serie/Serienfolge
//  “Club der roten Bänder, Folge 2“ von Richard Huber
//  “Der Club der roten Bänder, Folge 8“ von Sabine Bernardi
//  “Vorstadtweiber, Folge 6“ von Sabine Derflinger
//  “Weinberg, Trauma” von Till Franzen

Beste Regie Nachwuchs
//  “Dolores” von Michael Rösel
//  “Highway to Hellas” von Aron Lehmann
//  “Outside the Box” von Philip Koch
//  “Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut” von Viviane Andereggen

Die Nominierungs-Jury bildeten Frauke Thielecke (Vorsitz), Selcuk Cara, Emre Koca, Sven J. Matten, Janis Rattenni, Marcus Schwenzel und Tobias Stille. Die Preisträger des Deutschen Regiepreises METROPOLIS werden nun durch eine Online-Abstimmung unter den Mitgliedern des BUNDESVERBANDS REGIE ermittelt.

Einer der Höhepunkte der Verleihungs-Gala ist stets der mit 20.000 EUR dotierte Preis für ein Lebenswerk, der als Ehrenpreis der VG Bild-Kunst vergeben wird. Ihn erhält in diesem Jahr: EDGAR REITZ.

EDGAR REITZ zählt nicht erst seit seiner großformatigen „Heimat-Trilogie“ zu den außergewöhnlichsten deutschen Filmemachern. Er erzählt in großen Bildern die kleinen Geschichten des Alltags. Ausgeklügelte Bildkompositionen erzeugen eine filmische Ästhetik des nur vermeintlich Nebensächlichen. Besonders in dem ungeheuren Erzählkorpus von insgesamt mehr als 48 Stunden der Filme „Heimat. Eine Chronik in elf Teilen“ (1981-84), „Die zweite Heimat. Chronik einer Jugend in 13 Filmen“ (1984-92), „Heimat 3. Chronik einer Zeitenwende“ in 6 Filmen (2002-04) sowie „Die andere Heimat. Chronik einer Sehnsucht“ (2010-14) entwickelt er eine Subtilität der filmischen Repräsentation des sichtbaren Menschen, die einzigartig ist, nicht nur in der deutschen Kinematografie. Fast nebenbei justiert er den „Heimat“-Begriff neu und öffnet den Blick auf die feinsten Verzweigungen menschlicher Existenz in staunenswerter Beiläufigkeit, ja Familiarität. Reitz erzählt bevorzugt über Menschen aus der Hunsrück-Region, woher er selbst stammt, ohne dass seine „Heimat“-Filme autobiografisch oder sentimentale Rückblicke sind. Seine Chroniken haben einen ganz eigenen Rhythmus, den die filmischen Charaktere, manchmal sogar Nebenfiguren diktieren, selbst wenn sie sich an einschneidenden historischen Ereignissen und Zeitenwenden abarbeiten, die mitschwingen, aber nie den Blick auf die individuellen Erlebnisse und Befindlichkeiten verstellen. Reitz ist gewissermaßen ein Existenzialist des Alltäglichen.

Dass Reitz „Die andere Heimat“ dieses Mal nicht als Fernseh-Serie, sondern als vierstündigen Kinofilm realisierte, wirkt im Zuge seiner monumental anmutenden Suche nach dem großen Serienroman aus Deutschland und seinem ausgeprägten visuellen Stilwillen nur konsequent. Er betont, schon beim ersten „Heimat“-Zyklus „mit der Leidenschaft für das Kino gearbeitet, obwohl ich mit den Möglichkeiten des Fernsehens produziert habe. Aber vom ästhetischen oder auch technischen war das immer für die Kinoleinwand gedacht“.

Dass gerade regionale Bezüge in der Narration moderner Serien wichtig sind, hat Reitz lange vor den „Sopranos“, „Borgen“ oder „Top Of The Lake“ erkannt. Hartnäckig und unter Einsatz aller seiner ästhetischen wie materiellen Ressourcen (als Produzent) hat sich Reitz die Chancen der großen epischen Erzählweise erarbeitet. Er gewann, auch mit der Unterstützung von Drehbuchautoren wie Peter Steinbach und Thomas Brussig, die Freiheit für den Autor-Regisseur zurück, die den deutschen Autorenfilm der 1970er Jahre geprägt hatte. Hierfür war Edgar Reitz einer der Wegbereiter, u.a. als Mitautor des Oberhausener Manifests (1962), der Initialzündung des Neuen Deutschen Films.

Nach einer Vielzahl avantgardistischer Kurz-, Kultur- und Industriefilme, in denen Reitz an die vergessene Tradition der 1920/30er Jahre anknüpfte, realisierte er mit „Mahlzeiten“ (1967) sein Langfilm-Debut. In Venedig gewann er damit sofort den Nachwuchspreis. Noch stark der assoziativ-disruptiven Schnitttechnik verbunden, zeigt Reitz kühl wie ein Verhaltensforscher, wie sich das Glücksversprechen eines jungen Paares in der Wirtschaftswunderzeit verliert. In seiner E.T.A. Hoffmann-Adaption „Cardillac“ (1969) sind die die fließenden Übergänge zwischen Farb- und Schwarzweiß-Sequenzen wichtig, ein formales Mittel genuin des Films, das er in den „Heimat“-Filmen perfektionieren wird. Monochrome Bilder kombiniert er mit Farbbildern und versucht in der Geschichte eines rachsüchtigen Goldschmieds sogar Goldtöne ungesättigt entstehen zu lassen.

„Die Reise nach Wien“ (1973) hat ihren Ausgangspunkt zum ersten Mal im Hunsrück. Wiederum geht es um ein Glücksversprechen in Form einer Kiste voller Geld, mit der Hannelore Elsner und Elke Sommer aufgrund der Kriegsabwesenheit der Männer versuchen, ihren Traum vom Glück zu realisieren, der die dörfliche Heimat hinter sich lässt. „Die Stunde Null“ (1976) ist quasi die Fortsetzung und ein Vorbote der „Heimat“-Filme. 1945 ist plötzlich vieles möglich, für kurze Zeit bleibt ein exterritorialer Raum, den ein junges Paar begeht, ohne dass die Sehnsucht nach heimatlicher Zuflucht gestillt wird.
„Der Schneider von Ulm“ (1978) ist Reitz‘ teuerster eigenproduzierter Kinofilm. Er zeugt von seinem Faible für kauzig-visionäre Eigenbrötler, hier ein Schneidergeselle und sein Traum vom Fliegen, angesiedelt in Ulm am Ende des 18. Jahrhundert. Edgar Reitz hat mit ähnlicher Besessenheit und Hartnäckigkeit das episch filmische Erzählen in Deutschland voran gebracht. Der kommerzielle Misserfolg des „Schneiders von Ulm“ war die Geburtsstunde der Arbeit an der „Heimat“-Trilogie, die Reitz mit der Akribie des Schneiders auf den Weg brachte.

Der BUNDESVERBAND REGIE e.V. ist stolz, Edgar Reitz mit dem Lebenswerkpreis des Deutschen Regiepreises METROPOLIS 2016 als Ehrenpreis der VG Bild-Kunst, einer Retrospektive seiner Filme und einem öffentlichen Fachgespräch ehren zu dürfen. 
Die feierliche Preisverleihung findet in einer abendlichen Gala im Rahmen der „Tage der Regie“ am 6. Nov. 2016 in der HFF München statt.
Dabei werden auch die weiteren Jahres-Preisträger des Deutschen Regiepreises 2016 in den Kategorien Beste Regie Kino-, Fernseh-, Dokumentarfilm, Serien- und Nachwuchsregie sowie für eine schöpferische Mitwirkung überreicht.
JK/TS