Wo bleibt der Strukturwandel?

Pressemitteilung
Der BVR antwortet auf das Interview von Martin Moszkowicz in der FAZ und bezieht Stellung zu den Aussagen von Claudia Roth.

„Die Kultur- und Medienbranche“, sagte Claudia Roth bei der Vorstellung eines Aktionsplans für einen neuen Verhaltenskodex, sei „aufgrund ihrer Struktur offenkundig anfällig für Machtmissbrauch, für sexualisierte Übergriffe und auch für den Verstoß gegen Arbeitsschutzregeln“. Künstlerische oder angeblich künstlerische Genies stünden aber nicht über Recht und Gesetz.

Obwohl die Strukturen gemeint sind, bezieht sich der Satz mit den „Genies“ auf die Kreativen. Steht jetzt eine ganze Branche unter Generalverdacht? Dagegen wehren wir uns entschieden! Darüber hinaus hat Frau Roth auch schon eine Hashtag-taugliche Lösung parat: ein „Code of Conduct“. Drüber gestülpt - Problem gelöst. Da hätten wir uns wirklich mehr Wille zu strukturellem Wandel von unserer neuen Kulturstaatsministerin gewünscht. 

Wo stark hierarchische Strukturen herrschen, da ist der Weg zum Machtmissbrauch nicht weit. Ein „Code of Conduct“ wird diese Strukturen nicht verändern und ist am Ende Augenwischerei zum Schutze eines Systems, das mit öffentlichen Geldern Kreative nicht fördert, sondern ausnutzt.

Die Kräfteverhältnisse in der Branche sind nicht ausgeglichen und die Produktionen sitzen am längeren Hebel: Egal ob bei Kino-, TV- oder Streaming-Produktionen. Und daher spricht auch vonseiten der Filmschaffenden niemand über die Bedingungen mit der Produktion, wie es gut in dem Interview mit Moszkowicz zu lesen ist: „Wenn ich als Arbeitgeber nicht weiß, dass sich jemand schlecht behandelt fühlt, dass er psychische Probleme durch die Arbeitssituation hat, kann ich nichts unternehmen“. 

Diffusion ersetzt keine Verantwortung

Wir freuen uns, dass Martin Moszkowicz sich im Namen der Constantin endlich zu den Vorfällen seiner Produktion geäußert hat. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass auch er diese Möglichkeit für eine ehrliche Bekundung zu einem Strukturwandel genutzt hätte. Doch stattdessen zeigt er mit dem Finger überall hin, nur nicht auf sich selbst.

Die Vorfälle bei „Manta Manta - Zwoter Teil“ sind nicht zu entschuldigen. ABER eine Sache gilt es dringend klarzustellen: Die Constantin Produktion hat diese Vorfälle gedeckt – wir meinen sogar erst möglich gemacht: Durch ein toxisches System und für einen mit mehr als 6 Mio. geförderten Erfolg, den Moszkowicz selbst als Produzent mit Til Schweiger noch vor zwei Wochen ausgiebig gefeiert hat.

Die Einschätzung von Moszkowicz, dass es bessere Drehbedingungen bei wenigen Filmen zu höheren Budgets gäbe, immer auch unter der Voraussetzung, dass diese hoch budgetierten Filme dann von den großen Playern wie der Constantin gemacht werden, teilen wir nicht, zumal sich diese Aussage mit der eigenen Produktion selbst relativieren lässt: „Manta Manta - Zwoter Teil“ hatte ein hohes Budget – und die Drehbedingungen sind mittlerweile bekannt. Wir bitten Herrn Moszkowicz höflichst darum, die Vorfälle in seiner Produktionsfirma aufzuklären, anstatt sie für seine Agenda zu nutzen.

Wir brauchen eine vielfältige deutsche Kulturszene mit Budgets auch für kleinere Produktionen, damit mutige Filme jenseits des deutschen Mainstreams entstehen können. Und nicht zuletzt fressen solche Statements die Möglichkeiten des Nachwuchses auf. Und den brauchen wir alle!

RegieJetzt! 10 Punkte für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche

Die Mehrzahl der Regisseur:innen in diesem Land arbeitet unter schwierigsten Bedingungen, mit immer größeren Vorgaben durch Produzent:innen, Förder:innen und Sender, die ihnen mehr und mehr die Möglichkeit nehmen, Filme mit einer künstlerischen Verantwortung, die dieser Beruf eigentlich voraussetzt, zu machen. Um dies nicht auf dem Rücken der Crew-Mitglieder zu verteilen, haben wir Anfang des Jahres mit RegieJetzt! Impulse für bessere Arbeitsbedingungen in die Branche gegeben:

Wir brauchen mehr Zeit für mehr Qualität. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Regie und Drehbuch. Drehbücher, die sowohl inhaltlich als auch produktionell umsetzbar sind. Längere Pre- und Postproduktionszeiten. Mehr Wertschätzung im Miteinander und echte gelebte Diversität und Inklusion, sowohl im Team, als auch bei den Entscheider:innen. Schutz und Förderung für unseren Nachwuchs, aber auch Sicherheit für unsere Älteren. Und vor allem brauchen wir Mut für neue innovative Stoffe bei den Sendern und den Produktionen. 

Eine Novellierung des FFG geht nur gemeinsam mit den Filmschaffenden

Einen „Code“ ein „matter of cause“ ist Grundlage unseres Berufes. Wir Regisseur:innen sind darauf angewiesen, dass wir gut ausgebildete Mitarbeiter:innen haben und diese zu bekommen wird immer schwieriger. Wie wollen wir Filme machen, die im besten Sinne der Wahrheit verpflichtet sind und dem Respekt vor der Würde unserer Mitmenschen, wenn wir uns selbst nicht daran halten? Wir alle haben eine Leidenschaft für Filme und für das Filmemachen. Sonst hätten wir schon längst kapituliert. Haben wir aber nicht. Wir sind immer noch da und möchten Filme machen. 

Wir Filmschaffende - Regie UND Autorenschaft UND Produktion UND Crew - müssen mit einer klaren Vision an einer konkreten, gemeinsamen Lösung arbeiten. Und dazu gehört auch, dass wir die Situation ehrlich betrachten, in der wir alle im Moment gemeinsam bis zum Hals stecken: Der Druck der Kino-Produktion auf (finanziellen) Erfolg hat sich durch die Pandemie potenziert, die neuen Player haben die Produktions- und Crew-Kosten in die Höhe getrieben, die allgemeinen Budgetkürzungen und eine Inflation führen dazu, dass immer weniger Geld in die Filme fließt. Umso wichtiger ist:

Die Novellierung des FFG im Sinne von menschenfreundlichen Drehbedingungen muss gemeinsam mit denen angetreten werden, die täglich am Set stehen. Sonst wird aus unserer kreativen, wundervollen und gesellschaftlich relevanten Branche eine aus nichtssagenden Häkchen! 

Für ein konstruktives, soziales und vor allem menschliches Miteinander.

 

Der Vorstand

 

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